Montag, 30. November 2020

Sie rollten schon vor der grünen Welle an.

Vor gut zehn Jahren startete die GLP Steffisburg einen bemerkenswerten Aufstieg. Die Sektion ist in vielen Belangen regionale Pionierkraft.

Das Co-Präsidium der GLP-Steffisburg mit Maya Hürlimann und Hans Berger ist auf dem Velo unterwegs – nicht nur für diesen Fototermin.
Foto: Patric Spahni


Es ist kein Zufall, dass Maya Hürlimann und Hans Berger mit dem Velo zum Jubiläums-Interview radeln. Vor 10 Jahren – damals noch ohne Hürlimann – mischte die GLP in Steffisburg als neue Partei den Wahlkampf gehörig auf: Sie warb mit grellgrünen Fahrrädern, die sie im ganzen Dorf verteilte, um die Gunst der Wählerinnen und Wähler.
Mit Erfolg: Hans Berger und Reto Neuhaus schafften auf Anhieb den Sprung ins Gemeindeparlament – und damit als weitum erste GLP-Politiker in die Gemeindepolitik. Nur vier Jahre später schaffte Berger wiederum auf Anhieb den Sprung in den Gemeinderat. Auf Kosten der SVP und als weitum erster GLP-Politiker nahm er Einsitz in der Exekutive der zweitgrössten Gemeinde in der Region Thun-
Berner Oberland. Auch im Parlament (GGR) legte die immer noch junge Partei damals um einen weiteren Sitz zu. 2018 folgte schliesslich der vierte Sitz GGR.
Die grüne Welle
Auch wenn Maya Hürlimann, die mittlerweile auch seit sechs Jahren im Parteivorstand und im GGR sitzt, und «Gründervater» Hans Berger, die heute das Co-Präsidium der GLP Steffisburg bilden, solche Fakten gerne zur Kenntnis nehmen: Als Massstab für die Politik der Partei mögen sie sich nicht nehmen. «Uns interessieren Themen», sagt Maya Hürlimann, «und davon gibt es mehr als genug.»
Dabei spricht sie nicht nur die viel zitierte «grüne Welle» oder die Klima-Bewegung an, sondern auch Themen wie die Konzernverantwortungsinitiative, die erst auf den zweiten Blick etwas mit Ökologie zu tun hat. «Aber», sagt Hürlimann, «an ihr zeigt sich exemplarisch, wie wir in der Partei ticken.» Während sie und Hans Berger mit einer orangen Fahne am Velo oder am Balkon für die Anliegen der Initiative warben, sahen andere Parteimitglieder das Anliegen kritisch. «Unterschiedliche Haltungen sind bei uns nicht nur erlaubt, sondern erwünscht», sagt Berger – und vermutet dort einer der Unterschiede zwischen der GLP und anderen Parteien.
Der «Gründer-Groove»
Eine Annahme, die auch von seiner persönlichen Erfahrung geprägt ist. «Ich war nie ein politischer Mensch und konnte mich erst recht nicht mit einer Partei identifizieren», sagt er. Auf die GLP sei er aufmerksam geworden, als er realisiert habe, dass er in einem Parteiprogramm der Grünliberalen, das er zufällig im Internet gefunden habe, zu den meisten Positionen «Ja» sagen konnte.
«Ich fuhr hin, um die Partei und ihre Leute kennen zu lernen. Nach Hause kam ich als Grossratskandidat.»
Hans Berger über seinen ersten Besuch eines GLP-Anlasses
Eine Einladung zu einem Infoanlass in Spiez, der er als Sympathisant folgte, hatte freilich bereits Konsequenzen. «Ich fuhr hin, um die Partei und ihre Leute kennen zu lernen. Nach Hause kam ich als Grossratskandidat», erinnert sich Berger.
Es sei dieser «Gründer-Groove» gewesen, der letztlich auch zur Gründung der eigenen Sektion in Steffisburg geführt habe. «Wir waren damals regional organisiert und wollten bei den Gemeindewahlen antreten», sagt Berger. «Der Gemeindeschreiber informierte uns, das sei nur möglich, wenn die Parteisektion ihren Sitz in Steffisburg habe.»
Die Kehrseite
Die Velos, mit denen die GLP in die Steffisburger – und letztlich auch die regionale Politik – einfuhr, waren freilich nicht der einzige Weg, wie sich die Partei sichtbar machte. Solar-Events auf dem Dorfplatz oder Biketouren mit nationalen Parteigrössen sorgten übers Dorf hinaus für das gewünschte Aufsehen.
Bloss: Personell konnte die Ortspartei nicht mit dem Erfolg mithalten. Während immer mehr Parteivertreterinnen und -vertreter in Kommissionen und Gremien Einsitz hielten, blieb die Mitgliederzahl mehr oder weniger stabil. Die Folge: Die Kraft wurde vermehrt in den politischen Alltag investiert als in aufsehenerregende Auftritte. «Das ist unser nächstes Ziel: neue Mitglieder zu
gewinnen», sagt Maya Hürlimann. Hans Berger pflichtet ihr bei: «Wir wollen wieder ständig sichtbar sein – und nicht nur in Wahljahren.»
Das Dreieck
Regelmässig präsent zu sein und so eine gewisse Ausgeglichenheit zu markieren, das passe auch zum Streben der Partei nach politischem Gleichgewicht, sagt Maya Hürlimann. «Für uns ist das Dreieck zwischen Ökologie, Ökonomie und sozialen Anliegen zentral.» Diese drei Komponenten müssten in der Politik der GLP gleichwertig vertreten sein. Womit das Gespräch wieder bei der Konzernverantwortungsinitiative ankommt – und den unterschiedlichen Haltungen, die unter dem GLP-Dach Platz haben sollen.
Dass Richtungs- oder gar Grabenkämpfe intensiver werden, wenn die Parteibasis wie angestrebt breiter wird, nehmen Hürlimann und Berger in Kauf. Oder wie Hans Berger es ausdrückt: «Nur, wenn wir gemeinsam debattieren, abwägen und Lösungen finden, sind wir gewappnet für die Herausforderungen der Zukunft.»

Publiziert: 30.11.2020, 13:06
Bericht Thuner Tagblatt